Maßtheorie

Maßtheorie
Maßtheorie,
 
Verallgemeinerung der elementargeometrischen Theorie des Flächen- und Rauminhalts. In der Maßtheorie wird versucht, möglichst vielen Punktmengen so eine Zahl als Maß für den Inhalt zuzuordnen, dass gewisse Eigenschaften des elementaren Falls erhalten bleiben. Z. B. wird Punktmengen, die durch vertikale Geraden und durch Graphen stetiger Funktionen begrenzt sind, durch das riemannsche Integral (Integralrechnung) eine Maßzahl als Flächeninhalt zugeordnet. Die maßtheoretische Grundlage dafür ist der jordansche Inhalt: Beschränkte Punktmengen M des ℝn unterdeckt man mit Elementarmengen E. Diese sind als endliche Vereinigungen von verallgemeinerten Quadern auf höhere Dimensionen definiert. Entsprechend überdeckt man M mit Elementarmengen Ē. Durch die Wahl kleinerer Quader kann M besser von innen und von außen durch Elementarmengen angenähert werden. Für Elementarmengen definiert man als Maß m (E) die Summe der Volumina der verallgemeinerten Quader, wenn diese paarweise nur Randpunkte gemeinsam haben. M heißt Jordan-messbar, wenn gilt: sup (m (E)|E M) = inf (m (Ē)|Ē M). Das jordansche Maß ist damit eine Abbildung m der Jordan-messbaren Mengen in die nichtnegativen reellen Zahlen ℝ+0 mit den Eigenschaften: m (M) ≧ 0, m (∅) = 0 (wobei ∅ die leere Menge ist) und m (M1M2) = m (M1) + m (M2), wenn M1 M2 = ∅ ist.
 
Der jordansche Maßbegriff hat sich für die Mathematik als zu eng erwiesen, weil »zu wenige« Mengen messbar sind. H. L. Lebesgue führte einen allgemeineren Maßbegriff - das so genannte Lebesgue-Maß - ein, gemäß dem wesentlich allgemeinere Mengen messbar sind als beim jordanschen Maß. Das Lebesgue-Maß beruht darauf, dass Mengen mithilfe von Überdeckungen mit halboffenen Quadern nur von außen und von innen approximiert werden, wobei der Fall abzählbarer Überdeckungen zugelassen wird. Alle Jordan-messbaren Mengen sind auch Lebesgue-messbar. Darüber hinaus sind auch im Unterschied zum jordanschen Maß alle beschränkten und alle kompakten Teilmengen des ℝn Lebesgue-messbar.
 
Allgemein bezeichnet man eine Abbildung μ : → ℝ+0 ∪ {∞} auf einer σ-Algebra von Mengen als eine Maßfunktion (Maß) auf, wenn gilt:
 
1) μ (∅) = 0 und μ (A) ≥ 0 für alle A ∈ ;
 
2) Sind Ai paarweise disjunkte Mengen aus, so ist
 
Dabei heißt eine nichtleere Teilmenge der Potenzmenge P (Ω) einer Menge Ω eine σ-Algebra, wenn die leere Menge und zu jeder Menge auch ihr Komplement enthält. Darüber hinaus muss die Vereinigung einer abzählbaren Menge von Elementen von zu gehören. Mithilfe der Maßtheorie können allgemeinere Integrationstheorien begründet werden, wie umgekehrt auf Integrationstheorien Maßtheorien aufgebaut werden können.
 
Eine der wichtigen Anwendung der Maßtheorie ist die Wahrscheinlichkeitstheorie. Ist μ (Ω) = 1, dann heißt μ ein Wahrscheinlichkeitsmaß auf. Dieser allgemeine maßtheoretische Wahrscheinlichkeitsbegriff ist die Grundlage der Wahrscheinlichkeitstheorie.
 
 
T. Hawkins: Lebesgue's theory of integration (New York 21979).

Universal-Lexikon. 2012.

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